Ist doch egal, was die Leute sagen! Richtig?
Wie oft habe ich diesen Satz schon gehört. Und auf den ersten Blick stimmt dieser Satz doch auch
Auch für mich, der ich besonders viel auf meine Unabhängigkeit Wert lege. Ich lebe jetzt in Guatemala und viele meiner Freunde und Mitglieder meiner Familie haben mich für verrückt erklärt. Das Land sei viel zu gefährlich, das Klima nichts für mich, den eigentlich mag ich Hitze nicht so sehr. Es wird eh nicht so funktionieren, wie du dir das vorstellst und noch tausend andere Argumente warum es so gar nicht geht, dass ich in Guatemala lebe.
Hätte ich darauf gehört, was die Leute sagen, dann wäre ich immer noch in Deutschland.
Aus meiner Sicht ist Deutschland ein gutes Land in dem man leben kann aber eben für mich nicht mehr passend. Hier habe ich also aus meiner Sicht alles richtig gemacht. Die Menschen angehört und dann jedoch meine eigene Entscheidung getroffen.

Am meisten Respekt gibt es vor der Spritze
Seit einiger Zeit war ich auf der Suche nach einer Frau, die im Haushalt hilft. Mir fehlt ein Teil des Ordnungsgens . Also habe ich im Dorf herumgefragt ob nicht jemand für 2 – 3 Stunden helfen möchte. Die Bezahlung ist gut. Nicht super super, aber eben über dem was hier normalerweise gezahlt wird.
Zum Thema Bezahlung werde ich in einem separaten Post schreiben.
Ganz lange tat sich nichts. Keiner wollte für uns arbeiten. Auch die Frauen des Zahnprojektes nicht. Mir war nicht klar warum. Doch Erika, unsere Lehrerinn hat es mir dann schonend erklärt. Die Frauen haben Angst das über sie schlecht geredet wird. Mein erster Impuls war, ist doch egal. Sollen sie doch reden.
Doch nach ein paar Sekunden überlegen, war mir klar wie sehr ich mit meinem westlichen Denken und aus meiner Kultur gedacht habe.
Hier in dieser abgelegenen Gegend von Guatemala ist die Familie und der Zusammenhalt im Dorf alles. Es gibt ja sonst nichts. Keinen Staat, der hilft, keine Sozialversicherung und nicht einmal die realistische Möglichkeit an einen anderen Ort zu gehen.
Das bedeutet also, wenn die Leute reden, hat das ganz direkte Auswirkungen auf das eigene Leben und das eigene Wohlfühlen. Als „schlechte“ Frau bezeichnet zu werden führt zum Ausschluss aus der Gemeinschaft, der Familie und damit eben auf den Verzicht dieser unglaublich wichtigen Funktion der Gemeinschaft.
Doch die Frauen haben, natürlich, eine Lösung gefunden. Ingrid ist eine 18-jährige junge Frau, die uns nun unterstützt. Doch sie wir IMMER begleitet. Entweder durch die Mutter von Erika, unserer Lehrerinn, Erika selbst oder einer anderen älteren Frau. Und es ist wirklich spannend. Ingrid arbeitet und die Begleitung passt auf.
Mein heutiges Fazit. NICHTS, aber auch GARNICHTS ist Schwarz oder Weiß. Es gibt immer Grautöne. Manche sind sichtbar manche unsichtbar. Und manche möchte ich gar nicht sehen, weil mein eigenes Weltbild ins Wanken kommt. Und das ist ja das “Schlimmste”, sein eigenes Weltbild wanken zu sehen…

Erika und ihr Bruder bei der Unterrichtsvorbereitung
Zu Anfang, als wir den Stundenplan gemeinsam entwickelt haben, war Erikas Bruder immer dabei. Ich habe mich gewundert, doch nach einiger Zeit habe ich erfahren, dass es nicht üblich ist, dass eine junge Frau alleine zu einem Mann, besonders einem Gringo, geht.
Seit vielen Monaten hat sich das geändert und Erika und ich können uns alleine treffen, wenn wir draußen sitzen. Den Raum im Haus benutzen geht jedoch garnicht.
Unsere erste Überlegung war, wie wir den Kindern “technisch” das Zähneputzen beibringen können. Dann war ja wichtig zu erklären warum Zähneputzen so wichtig ist und noch vieles mehr.
Der Durchbruch war, dass wir entschieden haben vor und nach dem Unterricht putzen wir gemeinsam die Zähne, waschen die Hände und danach geht es zurück in die Klasse.
Der Unterricht hat sich in den letzten Monaten weiterentwickelt. Erika schult die Kinder in Dingen wie gesunde Ernährung, Anbau von Gemüse in unserem Schulgarten, Lesen, Schreiben und Rechnen. Außerdem bringt sie den Kinder ihre eigene Maya Kultur näher. Hier geht viel altes Wissen verloren.
Glücklicherweise hat Erika von ihrem Vater ganz viel gelernt und gibt dieses Wissen nun an die Kinder weiter.

Wir wachsen und haben nun drei Wohnzimmerschulen
Inzwischen haben wir es geschafft, drei Wohnzimmerschulen einzurichten. Diese Schulen werden von dokeshi kakaw S.A und Spenden finanziert.
Für mich ist es immer wieder ein Freude den Kindern beim Lernen zuzusehen, zu sehen mit welcher Motivation hier gelernt wird.
Und natürlich sind auch hier die etwas älteren Jungen ganz normale Jungen. Sie machen ihre Dummheiten, Scherzen und sind manchmal nicht bei der Sache. Doch wenn Erika deutlich wird, dann kehrt Ruhe ein und auch die Jungs halten sich im Zaum.
Wir haben uns entschieden Frauen als Lehrerinnen zu beschäftigen. Hier in Guatemala liegt den Frauen die Bildung ihrer Kinder am Herzen. Sie kümmern sich und sie sind bereit auch etwas aufzugeben. Dieses Verhalten sehen wir bei den Männern (noch) nicht. Aber wer weis, was noch nicht ist, kann ja noch kommen.
