Schule im Wohnzimmer. Warum das denn?
Als ich mich entschieden hatte nach Guatemala auf die Farm zu gehen, gab es fast nichts. Keinen Schreibtisch, kein Zimmer in dem ich arbeiten konnte. Aus der Not geboren habe ich mir den besten Arbeitsplatz den ich bis jetzt in meiner “Karriere” hatte gesucht.
Unter einem Dach, vor Regen geschützt und den Blicken aller ausgesetzt. Vor allem dem Blick der Kinder, die den Gringo gerade in der Anfangszeit genau beobachtet haben.
Was macht der eigentlich mit seinem Rechner. Sie kamen ohne jede Scheu zu mir, schauten mir über die Schulter und waren sehr neugierig. Ganz besonders Ingrid (die Tochter von Kush) und Conception, (die Enkeltochter von Benito) Beide sind ca. 11 Jahre alt und super interessiert an all dem was wir auf der Farm so machen.
Jeden Tag kamen und kommen die Kids mit einem Lachen zu mir. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend. Doch der Blick in Ihre Münder hat mich erschreckt.
Ich habe noch nie bei so kleinen Kindern soviel Karies gesehen. (Karius und Baktus, die meine kleine Enkeltochter sofort zitieren kann, wenn ich über Zähneputzen spreche) kennen diese Kinder natürlich nicht.
Also habe ich in einem ersten Impuls genau das gemacht, was wahrscheinlich so viele machen wenn sie helfen wollen. Ich bin ohne Nachdenken los und habe ersteinmal 10 Zahnputz Setz gekauft, da Alhan mit sagte, da der Grund für die fehlende Zahnhygiene ist, dass die Eltern einfach kein Geld haben um die Zahnbürsten und die Zahnpasta zu kaufen.
Und natürlich kam es wie es wohl überall auf der Welt passieren würde. Ohne Anleitung und ohne Motivation auch von Zuhause flogen die Becher dann nach 3 Tagen in der Gegend herum.
Für mich war klar, dass hier mehr gemacht werden müsste als nur Zahnputzbecher und Bürsten zu kaufen.

Und manchmal muss man einfach Glück haben.
Ein paar Tage später, traf ich dann zufällig Erika, eine Junge Frau, die ganz in der Nähe von uns wohnt. Sie ist ausgebildete Lehrerin und ich habe ihr mein Problem geschildert.
Ihr war natürlich sofort klar, woran es liegt. Die Kinder wissen einfach nicht warum sie sich die Zähne putzen sollen. Ihre Eltern sorgen sich in den meisten Fällen auch nicht darum und deshalb siehst du ja auch schon bei ganz jungen Menschen, das diese Zahnlücken haben.
Wissend, das es in Santa Maria de Cahabon über 1000 arbeitslose Lehrer gibt, hab ich sie gefragt, ob sie nicht so eine Ausbildung übernehmen könnte. Sie konnte und wollte und so haben wir dann besprochen, wie wir die ganze Sache angehen.
Wie gesagt, manche Dinge sind auf der ganzen Welt gleich. Obwohl es einen Raum in der Schule gab, konnten wir keine Erlaubnis bekommen diesen für den Unterricht zu nutzen. (Eifersucht, Unverständnis oder was weis auch ich). Als wir unser Leid dem Vater von Erika klagten (ein Maya Heiler der sehr angesehen ist im Dorf) war für ihn klar, das er sein Wohnzimmer zur Verfügung stellt.
Von nun an war alles einfach jetzt mussten wir nur noch die Kinder einladen. Ich hatte natürlich Sorge, dass nicht genug Kinder teilnehmen. Erika hatte die Sorge, dass sich zu viele melden werden. (Erika hatte Recht)

Erika und ihr Bruder bei der Unterrichtsvorbereitung
Zu Anfang, als wir den Stundenplan gemeinsam entwickelt haben, war Erikas Bruder immer dabei. Ich habe mich gewundert, doch nach einiger Zeit habe ich erfahren, dass es nicht üblich ist, dass eine junge Frau alleine zu einem Mann, besonders einem Gringo, geht.
Seit vielen Monaten hat sich das geändert und Erika und ich können uns alleine treffen, wenn wir draußen sitzen. Den Raum im Haus benutzen geht jedoch garnicht.
Unsere erste Überlegung war, wie wir den Kindern “technisch” das Zähneputzen beibringen können. Dann war ja wichtig zu erklären warum Zähneputzen so wichtig ist und noch vieles mehr.
Der Durchbruch war, dass wir entschieden haben vor und nach dem Unterricht putzen wir gemeinsam die Zähne, waschen die Hände und danach geht es zurück in die Klasse.
Der Unterricht hat sich in den letzten Monaten weiterentwickelt. Erika schult die Kinder in Dingen wie gesunde Ernährung, Anbau von Gemüse in unserem Schulgarten, Lesen, Schreiben und Rechnen. Außerdem bringt sie den Kinder ihre eigene Maya Kultur näher. Hier geht viel altes Wissen verloren.
Glücklicherweise hat Erika von ihrem Vater ganz viel gelernt und gibt dieses Wissen nun an die Kinder weiter.

Wir wachsen und haben nun drei Wohnzimmerschulen
Inzwischen haben wir es geschafft, drei Wohnzimmerschulen einzurichten. Diese Schulen werden von dokeshi kakaw S.A und Spenden finanziert.
Für mich ist es immer wieder ein Freude den Kindern beim Lernen zuzusehen, zu sehen mit welcher Motivation hier gelernt wird.
Und natürlich sind auch hier die etwas älteren Jungen ganz normale Jungen. Sie machen ihre Dummheiten, Scherzen und sind manchmal nicht bei der Sache. Doch wenn Erika deutlich wird, dann kehrt Ruhe ein und auch die Jungs halten sich im Zaum.
Wir haben uns entschieden Frauen als Lehrerinnen zu beschäftigen. Hier in Guatemala liegt den Frauen die Bildung ihrer Kinder am Herzen. Sie kümmern sich und sie sind bereit auch etwas aufzugeben. Dieses Verhalten sehen wir bei den Männern (noch) nicht. Aber wer weis, was noch nicht ist, kann ja noch kommen.
